Der koreanische Videokünstler Nam June Paik, ausgebildeter Komponist und Pianist, entwickelte im Sommer 1969 gemeinsam mit dem japanischen Ingenieur Shuya Abe in Tokyo einen Videosynthesizer, den Paik/Abe Syntheszier. Paik war zu diesem Zeitpunkt Artist in Residence bei WGBH-Television in Boston, gefördert von der Rockefeller Foundation. In diesem Zusammenhang konnte er David Atwood, Direktor von WGBH, und die Programmdirektoren Fred Barzyk und Olivia Tappan von der Notwendigkeit überzeugen, Fernsehexperimente im Studio durchzuführen, die nicht dem Standard der technischen Fernsehübertragung und nicht der Kontrolle der Fernsehingenieure unterliegen.
Am 23. September 1969 führte Paik im Studio von WGBH verschiedene Experimente mit dem Paik/Abe-Synthesizer aus, die aufgezeichnet, aber nicht ausgestrahlt worden sind. Das Videoband 9/23/69: Experiment with David Atwood enthält eine Reihe von Experimenten, die live, das heißt in Echtzeit, mit elektromagnetischen Manipulationen an vorliegendem Fernsehmaterial ausgeführt wurden. Die Manipulationen beziehungsweise Deformationen der televisuellen Ausstrahlung betreffen in erster Linie das visuelle Erscheinungsbild. Sichtbar werden die Zeilenstruktur des Bildaufbaus, horizontal drift und die Auflösung des Fernsehbildes in das RGB-Farbspektrum. Enthalten sind auch Beispiele der frühen elektromagnetischen Fernsehexperimente, bei denen Wellenformen als Bildinhalt entstehen, wenn der Signallauf in der Signalübertragung geändert wird. 9/23/69 enthält zudem Bildtransformationen und Tonstörungen mit dem Synthesizer, die Paik auch als einzelne Werke gezeigt hat. Dies betrifft das Material von Beatles Electroniques, Video Commune, McLuhan Caged und den Einsatz des Demagnetizers (erstmals 1965 vorgestellt), einem elektromagnetischen Ring, der von außen die Fernsehausstrahlung in Wellenform deformiert. Auf der Tonebene sind neben elektromagnetisch gestörten Originaltönen des Fernsehmaterials und deren Auflösung zum audio noise auch direkte Kommentare von Paik und anderen im Studio zu hören. Entscheidend für das Verhältnis von Video zu Fernsehen ist für Paik auch in dieser Arbeit, dass bestehende Bild-Ton-Verbindungen aufgelöst und beides einer elektromagnetischen Massage unterzogen wird, wobei das elektronische Medium wegen seiner audiovisuellen Grundstruktur als variables und variierbares Material im Synthesizer umgewandelt wird, damit der Signallauf seine im Fernsehen festgelegte Richtung ändert.