Farbe-Ton-Analogien

4 Drei Hauptfarben der Maler oder sieben Farben des Spektrums

Die erste reine Farbe-Ton-Analogie stellte Louis-Bertrand Castel (ab 1725) auf. Er stützte sich dabei auf frühere Analogiemodelle von u. a. Aristoteles, Athanasius Kircher und Isaac Newton, zielte im Unterschied zu diesen aber nicht mehr auf einen Beweis einer allumfassenden Weltenharmonie, sondern auf eine Visualisierung von Musik bzw. eine Ersetzung von Tönen durch Farben. Um die Vergänglichkeit der Musik als Zeitkunst zu umgehen oder aufzuheben, wollte er sie mit der Malerei als Raumkunst zu einer neuen Kunst, einer musique muette, verbinden. Castel argumentierte diesbezüglich, dass, da Musik aus Tönen und Malerei aus Farben bestehe, mit einer Farbe-Ton-Analogie auch Musik visuell dargestellt werden könne, zumal Analogiebildung als Wissenschaftsmethode akzeptiert sei. Zur praktischen Umsetzung und Beweisführung seiner Theorie konzipierte er ein Farbenklavier, das er Clavecin oculaire nannte.

In dieser Zeit galten zwei unterschiedliche Farbenlehren als etabliert: die des Aguilonius und die Isaac Newtons. Auch war die Ableitung musikalischer Erscheinungen aus der Obertonreihe von Joseph Sauveur zu Anfang des 18. Jahrhundert wissenschaftlich erklärt worden und nur vier Jahre vorher, 1722, hatte Jean-Philippe Rameau die Kirchentonarten, auf die sich noch Newton gestützt hatte, endgültig als überwunden erklärt und den Dreiklang innerhalb einer Durtonart als Kernstück seiner neuen Harmonielehre herausgestellt.

Damit standen sowohl auf Ton- als auch auf Farb-Ebene zwei grundsätzlich verschiedene Systeme zur Verfügung: jeweils ein physikalisches und ein künstlerisches Modell.

Seitens der auszuwählenden Farben war dies einerseits die Farbabfolge des Spektrums, andererseits die in der Malerei verwendete Farbskala. Seitens der auszuwählenden Töne existiert, als Pendant zum Spektrum, mit der Obertonreihe ebenfalls eine physikalisch basierte Ordnung und, wiederum als Pendant zu den Farben, die Tonleiter (als Repräsentant des Tonmaterials oder der Tonart), mit der Komponisten arbeiten.[2]

Darüber hinaus wiesen die jeweiligen Farb- und Ton-Systeme verschiedenstufige Untergliederungen als Grundlage für die Kompatibilität der Analogiebildungen auf.

Hinsichtlich der Farbe gab es eine dreiteilige Skala der Maler und Färber sowie eine siebenteilige der Physiker, die für eine potenzielle Verknüpfung mit Tönen mitunter modifiziert wurden. So kann die dreiteilige Skala durch Zwischenfarben zu einer sechsteiligen (Gelb – Orange – Rot – Violett – Blau –Grün) und durch weitere Zwischenfarben zu einer zwölfteiligen erweitert werden. Das siebenteilige Schema kann auf das dreiteilige reduziert werden, da in den ersten fünf Farben Rot – Orange – Gelb – Grün – Blau die drei Hauptfarben der Maler in der Reihenfolge Rot – Gelb – Blau enthalten sind. Für die Erweiterung des siebenteiligen Schemas zu einem zwölfteiligen, in sich zurückkehrenden Farbenkreis muss zunächst das Purpur ergänzt werden, das im Spektrum nicht enthalten ist. Zudem ist eine Siebenteilung durch eine regelmäßige Zufügung von Zwischenfarben nur zu einer Dreizehnteilung auszubauen, wenn man bei der Darstellung eines linearen Spektrumbandes bleibt. Falls eine Kreisstruktur beabsichtigt ist, kann eine Vierzehnteiligkeit erreicht werden. Damit sind, kombiniert man beide Farbsysteme, Teilungen innerhalb der Zahlen 3 – 6 – 7 – 12 – 13 – 14 möglich.

In der Musik existierte im 18. Jahrhundert ebenfalls eine drei- und eine siebenteilige Struktur, zum einen in Form des aus drei Tönen bestehenden und aus der Obertonreihe abgeleiteten Durakkords, der, zum anderen, wiederum zur siebentonigen Durtonleiter ausgeweitet werden konnte.

Diese Drei- und Siebenteiligkeit der Tonskala kann auch zu einer Zwölfteiligkeit erweitert werden, wodurch sich die chromatische Tonleiter ergibt. Damit sind seitens der Musik Teilungen innerhalb der Zahlen 3 – 7 – 12 möglich.

Für die Analogiebildung wurden im 18. Jahrhundert daher die in beiden Systemen enthaltenen Teilungen mittels der Zahlen 3 – 7 – 12 verwendet. Unterschiede ergeben sich jedoch im gewählten Ausgangspunkt und in der Laufrichtung des farblichen Schemas.

In der Musik wurde zunächst das Tongeschlecht Dur und nicht Moll als Ausgangspunkt gewählt und innerhalb davon die Tonart C-Dur. Diese Form der Zuordnung begann mit Castel (ab 1726) und setzte sich mit Johann Gottlob Krüger fort, der, ebenso wie Castel, ein Farbenklavier (Farbenclavecymbel, 1743) konzipierte.

Am häufigsten angewandt wurde eine Analogie, bei der die sechs Kombinationsmöglichkeiten der drei Malerhauptfarben auf diejenige reduziert wird, die im Spektrum von links nach rechts enthalten ist: Rot – Gelb – Blau. Diese wurde mit den Dreiklangtönen des C-Dur-Akkordes und die übrigen Zwischentöne durch Zwischenfarben parallelisiert: c Rot, d Orange, e Gelb, f Grün, g Blau, a Indigo, h Violett. Eine andere Herleitung dieser Analogie ist die Reduzierung der Farbe-Tonintervall-Analogie bei Newton zu einer Farbe-Ton-Analogie und die Ersetzung der von Newton gewählten dorischen durch die C-Dur-Tonleiter. Damit fallen physikalische und künstlerische Herleitung zusammen, weshalb sich eine eindeutige Trennung zwischen beiden nicht immer als möglich erweist, sondern beide sich vielmehr wechselseitig bestätigen. Zudem herrschte auch nach Newton kein Konsens über die Zuordnungen von Farben und Tönen. Die Unterschiedlichkeit der Analogiemodelle lässt sich exemplarisch an der jeweils abweichenden Skalenposition der Farbe Rot ablesen.

Bei der Obertonreihe handelt es sich um Sinustöne, die in jedem Ton enthalten sind. Die Schwingungszahlen dieser aufeinander folgenden Töne sind 1:2:3:4:5:6:7:8:9:10:11:12 usw. Bezogen z. B. auf den Ton C ergibt sich die Reihe C – c – g – c1 – e1 – g1 – [b1] – c2– d2 – e2– [fis2] – g2 usw., wobei die hier in eckige Klammern gesetzten Töne nicht exakt den Notennamen entsprechen.  
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