Filmmusik

5 Neue Produktionsbedingungen und alter Stil

Die Produktionsbedingungen der Filmmusik und ihre Wiedergabe haben sich mit dem Tonband, der Stereotechnik, dem Synthesizer und der Möglichkeit des Sampling stark verändert. Es ist daher erstaunlich, dass es ästhetisch gesehen trotz größerer stilistischer Vielfalt eine starke Kontinuität gibt. Ältere Techniken wurden ausdifferenziert. Sehr bewusst geht John Williams, der Komponist von Kinohits wie Der weiße Hai (US 1975, R: Steven Spielberg), Kevin – Allein zu Haus (US 1990, R: Chris Columbus) und mehreren Harry Potter-Filmen (ab 2001) mit dem Underscoring von Dialogen um.[16] Von Stanley Kubricks Verwendung von Konzertmusik (Richard Strauss, Johann Strauß, György Ligeti) zu 2001 – A Space Odyssey (UK/US 1968) angeregt, orientierte er sich (für Star Wars, US ab 1977, R: u. a. George Lucas) ebenfalls an vorhandenen Kompositionen zwischen Richard Strauss und Gustav Holst. Eine Art Leitmotivik mit charakterisierender ankündigender Funktion blieb erhalten, wenngleich nicht mit der intensiven motivischen Verarbeitung, wie sie der klassische Hollywoodfilm vorgenommen hatte. Dies gilt auch für einen Komponisten, dem eine Ausnahmestellung zukommt: Ennio Morricone. Er hat durch neuartige Wendungen in bekannten satztechnischen Modellen wie dem doppelten Sextaufschwung in Jills Lied im Film Once Upon a Time in the West (IT/US 1969, R: Sergio Leone) und barocker Verzierungspraxis als einprägsame Melodie (Gabriel’s Oboe in The Mission, UK 1986, R: Roland Joffé) eine Prägnanz erreicht, welche die ihm zugeschriebenen Bemerkung, Filmmusik sei nicht primär zum Hören bestimmt, Lügen straft.

Filmmusik ist funktionale Musik. Sie muss vom Hörer schnell aufgefasst werden, was vor allem – gemessen an neuer Musik – eine einfache Rhythmik verlangt. Sie muss Gefühle unterstreichen und Assoziationen hervorrufen. Und sie muss gestaltend auf die Bilder wirken. Sie muss Schnitte unsichtbar machen. Besonders gut ist dies an Autofahrten in Filmen zu beobachten, bei denen die Filmmusik die wechselnden visuellen Eindrücke verschmilzt (Harold and Maude, US 1971, R: Hal Ashby, M: Cat Stevens; The Graduate, US 1967, R: Mike Nichols, M: Simon und Garfunkel). Durch Wechsel – beispielsweise wenn James Bond von Raum zu Raum geht (The Spy Who Loved Me, UK 1977, R: Lewis Gilbert, M: Marvin Hamlisch) – muss die Musik Aufmerksamkeit für neue Zeiten und Orte stimulieren.

Trotz der zunehmenden Bedeutung des Sound Designs spielen traditionelle Verfahren der Filmmusik nach wie vor eine wichtige Rolle. Selbst in den geräuschvollen Actionfilmen der 1990er Jahre knüpfen Hollywoods Komponisten an Techniken wie der Verwendung des Lokalkolorits an oder setzen etwa arabische Folklore ein (nachempfunden von Lisa Gerrard[17] mit dem Duduk of the North in Gladiator, UK/US 2000, R: Ridley Scott). Auch der üppige orchestrale Sound findet weiterhin Anwendung. Hans Zimmer, als regelrechter Schöpfer einer Kompositionsfabrik der derzeit produktivste Filmmusikkomponist, pflegt diesen Sound, intensiviert durch elektronische Klänge (Pirates of the Caribbean, US 2003/2006/2007, R: u. a. Gore Verbinski).

Auch wenn sich im Laufe der Entwicklung der Filmmusik ihre Mittel verfeinert und erweitert haben und durch die Möglichkeiten des Sound Designs ergänzt wurden, kommt ihr im traditionellen Sinne ein wesentlicher Anteil an jeder aufwändigen Spielfilmproduktion zu. Experimental- oder Animationsfilme gehorchen anderen Bedingungen.

Interessant dazu ist das Interview in: Bazelon, Knowing the Score (wie in Anm. 12), S. 200.  
Sie arbeitet im Team von Hans Zimmer.  
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