Site.Sound.Industry
Der Ort macht die Musik. Er ist mitverantwortlich für charakteristische Klangbilder und Genre-Ausprägungen. So war bei wichtigen Entstehungsorten der Popkultur wie Memphis, Chicago, Detroit, London, Manchester oder dem Ruhrgebiet stets ein Konnex gegeben zwischen der jeweiligen urbanen Umgebung und der Art von Musik (sei es Blues, Rock ’n’ Roll, Punk, House, Techno etc.), die dort – und bisweilen nur dort – entstehen konnte. Das städtische Umfeld, seine soziale Verfasstheit und Architektur, flossen gleichermaßen in die örtliche Klang- und Bildproduktion ein wie umgekehrt im Sound bestimmter Metropolen meist auch eine gewisse Unverwechselbarkeit mitschwang. Welcher Zusammenhang genau zwischen lokalen urbanen Umgebungen und dort ihren Ausgang nehmenden Musikstilen besteht, ist zentraler Ansatzpunkt des Kapitels Site.Sound.Industry. Ein besonderer Stellenwert kommt dabei Industriestädten zu, denen wiederholt sound-bestimmende Merkmale zugeschrieben wurden. Fließbandproduktion, Ausbeutung und Entfremdung der Arbeitskraft, Arbeitslosigkeit, Abwanderung der Industrie, Flexibilisierung der ehemals Vollbeschäftigten – all diese Aspekte lassen sich auf die eine oder andere Weise an der Musik, die aus solchen Städten kommt, ablesen. Insbesondere gilt dies für eine Stilrichtung, die sich ab Mitte der 1970er-Jahre entwickelte und in ihren nihilistischen Klangfantasien einen sehr direkten Bezug zu soziourbanen Umgebungen, die dem Niedergang geweiht waren, aufwies. Ausgehend von nordenglischen Städten wie Sheffield, Manchester, aber auch verfallenden Stadtteilen Londons, der Mauerstadt Berlin oder Industriezonen wie dem Ruhrgebiet, verband Industrial, wie diese Richtung bezeichnet wurde, den Hang zur maschinellen, überwiegend elektronischen Klangproduktion mit den Untergangsszenarien einer dysfunktional gewordenen Industriekultur. Nicht umsonst lautete einer der ersten Slogans der Bewegung
Ausstellungsbeitrag kuratiert von Petra Erdmann und Christian Höller
Throbbing Gristle, 1976-80
Derek Jarman, T.G.: Psychic Rally in Heaven, 1981
Andrew Gowans, Throbbing Gristle's Hackney, 2006
Einstürzende Neubauten, Stahlmusik, 1981
Peter Saville, 1978-82
Kevin Cummins, Photoworks, 1977–1989
Die Krupps, Stahlwerksynfonie, 1981
Test Department, Ecstacy Under Duress, 1984
Wolfgang Müller, Wolfsburger Modell zur Herstellung einer unsichtbaren Vinylscheibe, Linzer Version, 1980/2009
Jeremy Deller, Theory & Practice, 1997/98
Werke: Ecstacy Under Duress, Photoworks, Stahlmusik, Stahlwerksynfonie, T.G.: Psychic Rally in Heaven, Theory & Practice, Throbbing Gristle’s Hackney, We Will Never Miss, Wolfsburger Modell zur Herstellung einer unsichtbaren Vinylscheibe
Personen: Kevin Cummins, Jeremy Deller, Kerstin von Gabain, Andrew Gowans, Derek Jarman, David Lean, Peter Saville
Körperschaften: Die Krupps, Einstürzende Neubauten, Test Dept (Test Department), Throbbing Gristle