Musiktheater

1 Richard Wagner und das Gesamtkunstwerk

Ein theoretisches Konzept zur Verbindung und Integration der unterschiedlichen Kunstformen im Musiktheater wurde erstmals von Richard Wagner formuliert. In seiner im Schweizer Exil verfassten und 1850 veröffentlichten Schrift Das Kunstwerk der Zukunft deutet Wagner das Nebeneinander der selbstständigen Künste als Symptom eines kulturellen und politischen Niedergangs. Nur der Künstler sei dazu berufen, diese moderne Arbeitsteilung zu überwinden. Wagners ästhetisches Programm mündet schließlich in der Idee einer freien künstlerischen Genossenschaft[1], welche die Grundbedingung des Kunstwerks der Zukunft ist. Somit formuliert Richard Wagner hier das revolutionäre Programm einer sozialen Utopie des Theaters, von dem er sich als gescheiterter Revolutionär aber rasch wieder verabschieden sollte. Als reales Vorbild diente Wagner die Aufführungspraxis der Grand opéra in Paris. Hier wurden die verschiedenen Darstellungsmittel des Musiktheaters gleichberechtigt zusammengeführt. Fasziniert war Wagner zudem von der normativen Verbindung von Komposition und Bühnenbild, die in der Grand opéra angestrebt wurde: Werke, die in Paris aufgeführt wurden, sollten nach Möglichkeit mit einem identischen Bühnenbild an anderen Theatern nachgespielt werden. Die Idee solcher Musteraufführungen war ein Antrieb zur Gründung der Bayreuther Festspiele. Für seine eigenen Opernkompositionen hatte der Entwurf des Gesamtkunstwerks, der erst im modernen Regietheater Bedeutung gewann, jedoch keine tragende Rolle.

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