Musiktheater

4 Interaktives Musiktheater

Seit Mitte der 1960er Jahre hat John Cage in einer Serie von kollektiven Kompositionen neue Formen des Musiktheaters entworfen, in denen erstmals die Verbindung von Musik, Bühnenaktion und Bühnenausstattung in medial-interaktiven Konstellationen dargestellt wurde. Den ersten Schritt in diese Richtung machte dabei David Tudor in Zusammenarbeit mit Lowell Cross mit dem Solostück Bandoneon! (a combine), das 1965 während der 9 Evenings im Rahmen der Second Armory Show uraufgeführt wurde. Dafür entwickelte Lowell Cross eine Apparatur, welche die Klänge von David Tudors live-elektronisch manipuliertem Bandoneon-Spiel zur Steuerung von Bildern zweier Fernsehmonitore umwandelte. Hier wurde erstmals der Versuch unternommen, in einer szenischen Aufführung Bildgestaltung in eine direkte Verbindung zur Musik zu bringen.

In John Cages Variations V für je sechs Tonbandgeräte, Kurzwellenempfänger, Oszillatoren und Lautsprecher sowie Objekte, Kontaktmikrofone, andere elektronische Geräte und Tänzer aus dem Jahr 1965 wird das Verhältnis von Musik und Bühne in völlig neuartiger Weise interpretiert. Es sind hier einzig die Tänzer auf der Bühne, die in diesem Werk die Instrumenten-Funktion übernehmen und alle musikalischen Ereignisse durch ihre Bewegungen auslösen. Robert Moog und Cecil Coker entwarfen hierfür zwei Steuerungssysteme: eines mit zehn Fotozellen, das durch die Lichtunterbrechungen der Tänzer aktiviert wurde, ein zweites mit elektromagnetischen Feldantennen, das auf den Abstand der Tänzer zueinander und die Position auf der Bühne reagierte. Damit wurde das Orchester aus den elektrischen Klangerzeugern angesteuert, das die von Cage komponierten Klangmaterialien in Abhängigkeit von der Bühnenaktion wiedergab. Ein weiterer Kontrapunkt zu dieser Konstellation war das Bühnenbild aus Lichtprojektionen, Diaprojektoren und Monitoren, unter Verwendung von Material Nam June Paiks, das gleichfalls über die elektronischen Bühnensysteme gesteuert wurde.[8] Cage entwickelte diese Medienkomposition als eine Serie von Aufführungen für die Merce Cunningham Dance Company; dokumentiert ist dieses Werk daher nur durch eine nachträglich erstellte Handlungspartitur Remarks re an Audio-Visual Performance und durch die Fernsehproduktion des an diesen Aufführungen beteiligten Komponisten Gordon Mumma[9].

Das Grundmodell von Variations V hat John Cage in mehreren seiner interaktiven Medienkompositionen weitergeführt, so in Reunion (mit David Behrman, Lowell Cross, Gordon Mumma und David Tudor).

Hier wird eine Vielheit elektronischer Musiken durch die Figurenbewegungen während eines Schachspiels auf einem elektronisch präparierten Brett gesteuert. Bei der Uraufführung am 5. März 1968 in Toronto bestand die Bühnenaktion aus dem Schachspiel von John Cage gegen Marcel Duchamp, während Teeny Duchamp aus kurzer Entfernung zusah.[10] Schlusspunkt dieser offenen Serie bildete HPSCHD (d.h. Harpsichord) zusammen mit Lejaren A. Hiller, komponiert von 1967 bis 1969 für ein bis sieben elektrisch verstärkte Cembali und ein bis 51 Tonbänder (insgesamt zwei bis 58 Lautsprecher), ergänzt um Projektionen von Dias und/oder Filmen nach Belieben.

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