Künstlermusiker & Musikerkünstler

5 Zwischen Club und Galerie: Die Universalmaschine Computer und die Ich-AG

Eine neue Richtung erhielt die Entwicklung des Künstlermusikers/Musikerkünstlers durch die Verbreitung von Techno und anderer neuer Formen elektronischer Musik (House, Drum ’n’ Bass, Elektro etc.). Einerseits begünstigte das multifunktionale Werkzeug des Computers das Arbeiten in verschiedenen kulturellen Bereichen, andererseits wurde der Club zu einem Ort, an dem visuelle, filmische, sprachliche und musikalische Formen zusammenkamen.

Um die Freiräume der Clubkultur selbst gestalten zu können, Plattformen und Vertriebswege für die neue Underground-Kultur zu schaffen oder die Kontrolle über das eigene Schaffen zu bewahren, engagierten sich verschiedene Künstler als Clubeigner, Labelbetreiber und Produzenten. Dazu gehörten unter anderem Daniel Pflumm mit dem Elektro und dem Elektro Music Department in Berlin, Emanuel Günther (aka Mooner) mit dem Club le Bomb (gemeinsam mit der schottischen Künstlerin Catriona Shaw) und dem Erkankung durch Musique in München oder Robert Jelinek mit dem Sabotage Communications (mit den Sub-Labels Sabotage Rec., Subetage Rec., Craft Rec.) in Wien.[18]

Auch die Chicks on Speed betrieben mit der Seppi Bar als erster großer gemeinsamer Manifestation einen (bewusst nicht sesshaften) Club und gründeten, um in der Produktion und Distribution ihres musikalischen Outputs unabhängig zu bleiben, ihr eigenes Label Chicks On Speed Records, auf dem vielfach Tonträger von Musikerinnen/Künstlerinnen veröffentlicht wurden (z. B. Angie Reed).

In der politisierten Konzeptkunst der 1990er Jahre wurde in Bezug auf solche Mehrfachrollen vielfach von Kulturproduzenten und Kulturarbeitern gesprochen. Damit wurde eine theoretische Position für jene geliefert, die nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen mehreren kulturellen Tätigkeiten nachgingen, z. B. Filme drehten, Bilder malten, Texte verfassten und als DJ arbeiteten.

Dabei entstand nicht selten nicht nur eine tageszeitliche Teilung zwischen den Arbeitsidentitäten als bildender Künstler und im Club, sondern auch eine namentliche Trennung. So tritt etwa der Mitbegründer des Labels noton.archiv für ton und nichtton (1994/1995) und des Nachfolge-Projekts raster-noton (1999), Carsten Nicolai, als Musiker unter den Pseudonymen noto und alva noto auf, während er als bildender Künstler unter seinem bürgerlichen Namen agiert. Dabei bestehen signifikante Beziehungen zwischen seinen visuellen und musikalischen Arbeiten. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass er sich in beiden Ausdrucksformen mit Makro- und Mikrostrukturen oder minimalistischen Konzepten auseinandersetzt und sich häufig der Sicht- und Hörbarmachung technischer oder natürlicher akustischer und optischer Phänomene widmet. So nimmt elektronische Musik in seinen Installationen einen zentralen Stellenwert ein, während er umgekehrt der visuellen Präsentation seiner musikalischen Produktion große Bedeutung zumisst, die von CD-Verpackungen bis hin zur Visualisierung seiner Stücke reicht.

Mit der Digitalisierung der Medien und der Verbreitung des Computers glichen sich bildnerische und musikalische Arbeitsweisen auch technisch immer mehr an.

So setzte beispielsweise Mark Leckey in den 1990er Jahren das ursprünglich aus der Musik stammende Verfahren des Sampelns nicht nur für die Bearbeitung von Sounds, sondern auch von Found Footage ein und kreierte Musikvideos ähnelnde Clips. Dabei bringt er seine Erfahrungen als Musiker, Clubgänger und Künstler in seine visuelle und musikalische Produktion mit ein. Berühmt wurde sein Filmessay Fiourucci Made Me Hardcore (1999), in dem er in Form einer spannenden Montage die englische Clubszene der 1980er Jahre beleuchtet.[19]

Die zunehmende Verschränkung von bildender Kunst und elektronischer Musik zeigte sich auch anhand von Projekten, die sich nicht mehr im Club, sondern in Museen und Galerien positionierten. Brian Eno, der als einer der Pioniere der aktuellen elektronischen Popmusik gilt und mit der Begründung der Ambient Music im Jahr 1978 die Wurzeln für eine neue Form der Verräumlichung von elektronischer Musik legte, realisierte 1997 mit Music for White Cube eine exemplarische Installation in der titelgebenden Londoner Galerie.

Pflumm war auch Mitbegründer des Clubs Botschaft e.V., der nicht nur ein Lokal war, sondern der Name einer interdisziplinären Künstlergruppe.  
Der Professor der Frankfurter Städelschule ist Mitglied der Bands donAteller und Jack Too Jack.  
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