Von den Farbenklavieren zur autonomen Lichtkinetik

5 Die Gleichberechtigung von Farbe und Form – Vom Farbenklavier zum abstrakten Film

Auch die Pianistin Mary Hallock-Greenewalt hatte sich ab 1906 in Philadelphia

mit der Kombination von Musik und Farbe beschäftigt und zwischen 1920 und 1934 mindestens zwölf Patente im Umfeld ihres Sarabet genannten Light Color Instruments erhalten[7], mit dem sie klassische Musik durch Farben visualisierte. Im Unterschied zu ihren Vorgängern löste sie sich von starren Farbe-Ton-Analogien und setzte stattdessen im Sinne einer freien Farblichtkunst sich verändernde und ineinander übergehende Farben ein.

Ein Problem aller bisher dargestellten Farbenklaviere blieb die mangelnde Möglichkeit zur künstlerischen Formgestaltung. Die punktuellen Lichtquellen in diesen Apparaten konnten zwar ein- und ausgeschaltet sowie in ihrer Größe und Intensität verändert werden; zeitlich variierende Formen ließen sich allerdings nicht herstellen.

Aus diesem Bewusstsein heraus entstanden neben Farbenklavieren, die sich auf konkrete Farbe-Ton-Zuordnungen bezogen, nun auch Apparate zur komplexen Verknüpfung von Musik, Farbe und Form, die also weniger Ton und Farbe als vielmehr Musik und Bild zueinander in Beziehung setzten.

Zu den Vorreitern gehörte der Pianist und Komponist Alexander László, der versuchte, die bisher getrennten Kunstgattungen, nämlich die Kunst in Tönen – also die Musik – mit der Kunst in Farben – also der Malerei – zu einer höheren Einheit, zu einer neuen Kunst zu verschmelzen.[8]

Er setzte für seine Farblichtmusik – etwa die 1925 erstmals präsentierten Kompositionen für Farblicht und Klavier – ein spezielles Farblichtklavier (Sonchromatoskop) ein, das mit mehreren Diaprojektoren gekoppelt war, mit deren Hilfe auch Formen gestaltet werden konnten. Zudem kombinierte er nicht mehr Einzeltöne mit bestimmten Farben, sondern setzte Farbmischungen mit Klängen zueinander in Beziehung.

Trotz modernster Technik war es mithilfe von Farbenklavieren noch in den 1920er Jahren kaum möglich, bewegte farbige Formen zu zeigen. Darüber hinaus bestanden weiterhin Schwierigkeiten, die visuellen Übergänge nahtlos zu gestalten. Als Reaktion auf diese Beschränkheit der Mittel entstanden abstrakte Filme, die Aspekte von Form und Bewegung im Sinne zeitlicher Bezüge und Variationen erkundeten.

Wie sehr diese frühen abstrakten Filme einer Orientierung an der Musik verhaftet waren, zeigen Filmtitel wie Lichtspiel opus 1 von Walter Ruttmann. Der Problematik der dem Schwarz-Weiß-Film fehlenden Farbe begegnete er, indem er jedes einzelne Bild per Hand nachkolorierte.

Dabei besteht der entscheidende Unterschied zwischen Film und Lichtspiel darin, dass bei einem Film die auf Zelluloid gebannte Lichtkunst als unveränderbares Kunstwerk festgelegt ist, während sie bei Farbenklavieren jedes Mal neu im Rahmen einer Aufführung entsteht.

1
2
3
4
5
6
7